Mit der Bahn gegen den Müll: Urbane Abfalllogistik für Mannersdorf

Wie ein innovativer Probetransport zeigt, dass auch Abfall umweltfreundlich Bahn fahren kann – und woran es (noch) scheitert.

Wien – Mannersdorf: Zwei Orte, verbunden durch ein ambitioniertes Ziel – Müll und Baurestmassen nicht mehr mit dem LKW, sondern mit der Bahn zum Zementwerk zu transportieren. Was nach grauer Theorie klingt, wurde im Frühjahr greifbar: Ein erster Probetransport über die Schiene – eine kleine Premiere mit großem Potenzial.

Die Mission: Ersatzbrennstoff und Baurestmassen auf die Schiene bringen

Im Fokus des Projekts stand das Zementwerk Mannersdorf. Hier sollen künftig aufbereitete Abfälle (als Ersatzbrennstoff) und mineralische Baurestmassen als Ressourcen für die Zementproduktion dienen. Das Ziel: eine effiziente und klimafreundliche Versorgung des Werks – direkt aus Wien.

Bagger für Müll- und Bauschutt-Transport

Drei Verladepunkte wurden dafür ins Auge gefasst:

  • Saubermacher in Inzersdorf/Oberlaa

  • ZUMA in Simmering

  • AUL in Süßenbrunn

Während ZUMA und Saubermacher an das Schienennetz angebunden sind, müsste bei AUL ein Straßenzubringer zum Bahnhof Süßenbrunn organisiert werden.

Ein Probetransport als Feuertaufe

Für den Testlauf fiel die Wahl auf die beiden Anschlussbahnen von ZUMA und Saubermacher. Beide waren seit Jahren nicht mehr im Eisenbahnbetrieb – entsprechend hoch war die Spannung.

Zementwerk

Doch der Plan hatte seine Tücken: In Mannersdorf muss das Material teils in den Brennstoffbunker, teils auf die Lagerfläche – das verlangt nach flexiblen Umschlaglösungen. Die innovative Lösung der Firma Helrom – Tragwagen mit seitlich ausschwenkbaren Containern – wäre ideal gewesen, war aber noch nicht einsatzbereit. Auch OpenTop-Container standen nicht zur Verfügung.

Die Entscheidung fiel daher auf das bewährte ACTS-System – ein geniales Hybridkonzept, bei dem Abrollcontainer auf spezielle Bahnwagen verladen und mit Haken-LKW umgeschlagen werden können.

Ein Schweizer Spezialzug im Dienste der Wiener Abfälle

Da die ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria kein geeignetes Fahrzeug beistellen konnte, sprang ein Privatbahnunternehmen ein. Das nötige ACTS-Waggonset – ein Wagen mit drei Spezialcontainern – kam vom Schweizer Hersteller ACTS AG nach Wien. Müll- und Bauschutt-TransportZwei 20m³-Container für Baurestmassen und ein größerer 30m³-Container für den leichteren Ersatzbrennstoff wurden für den Einsatz vorbereitet.

Früh morgens startete der Zug vom Bahnhof Stadlau – erste Station: die Firma ZUMA. Dort wurden die Container mit Material beladen – allerdings nicht direkt vor Ort. Die geforderten aufbereiteten Baurestmassen mussten von einem externen Lieferanten geholt und per LKW zum Umschlagpunkt gebracht werden.

Ähnlich in Inzersdorf bei Saubermacher: Auch hier erschwerten bauliche Gegebenheiten wie eine 6 Meter hohe Mauer den direkten Bahnumschlag. Ersatzbrennstoff wurde vorab in Container verladen und dann händisch auf den Bahnwagen umgeladen.

Ziel erreicht – und doch nicht am Ziel

Nach Zwischenhalt in Götzendorf und einigen betrieblichen Abstimmungen konnte der Zug schließlich das Zementwerk in Mannersdorf erreichen. Dort wurden die Container entladen – am nächsten Tag ging der Zug leer zurück in die Schweiz.

Das Fazit: Der Probetransport war technisch erfolgreich – die Schienenlogistik funktionierte. Zum ersten Mal wurden ZUMA, Saubermacher und das Zementwerk Mannersdorf von einem privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen beliefert. Ein deutliches Signal, dass Alternativen zur klassischen LKW-Logistik bestehen – auch auf kurzen Distanzen.

Doch wo hakt es?

Trotz funktionierendem Pilotprojekt gibt es einige Hürden für den Regelbetrieb:

  • Keine ausreichenden Mengen: Eine geplante Aufbereitungsanlage in Mannersdorf ist noch nicht umgesetzt. Ohne konstante Materialmengen rechnet sich der Bahntransport nicht.

  • Schwierige Infrastruktur: Viele Verladestellen sind nicht für die Bahn, sondern für LKW-Verkehr konzipiert. Interne Umfuhren sind zeit- und kostenintensiv.

  • Fehlende Planbarkeit: Straßenlogistik ist auf kleine Mengen und schnelle Reaktion getrimmt – ein einzelner Zug mit 500 Tonnen Ladung passt da oft nicht ins Konzept.

  • Kurze Distanz – hoher Preis: Auf nur 50 Kilometern Strecke sind Bahnlösungen selten günstiger als der LKW. Ohne klare politische Rahmenbedingungen bleibt der Anreiz gering.

Ein Lichtblick: Potenzial für die Zukunft

Sollte das Aufbereitungswerk in Mannersdorf doch noch Realität werden, gäbe es genügend Ausgangsmaterial von allen drei Wiener Verladepunkten. Und damit auch eine echte Chance, das Konzept eines regionalen „Sammelzugs“ wieder aufzugreifen.

Der Weg ist bereitet – jetzt braucht es Weichenstellungen. Technisch ist die urbane Abfalllogistik auf Schiene bereit. Es fehlt nur noch der politische und wirtschaftliche Wille, sie auch fahren zu lassen.

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